Gastkommentar WOHNINSIDER

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30.07.2018 16:23

Gastkommentar WOHNINSIDER

Milano 2018 – das größte Möbelstudio der Welt!

Die Zutaten: man gründe als Industrie einen Verein der eine Messe organisiert, der das Gemeinsame vor das Trennende stellt, übersteht damit Höhen und Tiefen, überlässt die Mitbewerber praktisch sich selbst, die die Energie in internen Grabenkämpfen vergeuden, animiert die Industrie Schauräume in der Stadt zu eröffnen um eine Parallelwelt zur Messe zu schaffen, veranstaltet zusätzliche Events wie eine Design Week) verbindet dabei mehrere Branchen vom Auto über die Mode bis zum Möbel, bindet die Bevölkerung der Stadt mit ein indem man eine Woche Party feiert, bringt die Kommune dazu die Stadt unter anderem auch sauberer zu machen (seit der Expo auch deutlich sichtbar) und schließt mit dem Wettergott einen Vertrag – Voila, und fertig ist ein Event der Superlative – so einfach ist es! Vielleicht steigt deshalb auch die Zahl der internationalen Aussteller und Besucher ständig, die italienische Industrie profitiert von der seit vielen Jahren weltweiten Verankerung der Messe. Der italienische Markt stagniert seit Jahren auf einem niedrigen Niveau, es soll Produzenten geben die nur mehr international verkaufen, der eigene Markt wird kaum mehr bedient. Ist gerade deshalb Mailand die weltweit wichtigste Möbelmesse? Man erweckt damit die menschliche Eigendynamik der Begehrlichkeit – der Mensch ist ein Herdentier, dort wo viele Menschen sind will man auch hin, da ist was los, da will ich dabei sein. Aber es auch ein Fest der Eitelkeit, nur mit gutem Speck fängt man die Mäuse. Viele Besucher sind auch ständig auf der Suche nach einem vermeintlichen Trend. Ich erkenne aber auch eine verbreitete Sprache der „Bilder“, sowohl in den Ausstellungen als auch in immer mehr in Zeitungen und Magazinen herrschen visuelle Präsentationen vor und Texte treten in den Hintergrund. Die Veranstaltung im Messegelände, eine Messe ohne Ecken und Kanten, hier wird nichts dem Zufall überlassen, hier steht eindeutig Business im Vordergrund. Obwohl die großen Aussteller in den Hallen 5 + 7 immer vergleichbarer werden und versucht wird keine (eigenen) Trends zu schaffen, sondern ein rein professionelles Kundenbindungsszenario vorherrscht. Das geht so weit, dass die Marken immer mehr Absperrungen und verglaste Gänge bauen um die Schauer von denen die dazugehören zu trennen, wie im Zoo, die Zuschauer müssen draußen bleiben. Das ausgestellte Produkt ist dann nicht mehr ganz so wichtig, man kauft den Namen der draufsteht. Das hat sich bei dieser Messe noch verstärkt. Gesamtkonzepte, zum Teil von unrealistischen Räumen in den edelsten Materialien werden gezeigt, ohne Zweifel perfekt bis ins letzte durchdachte Detail, bis hin zur Detailverliebtheit – wie in einer Welt in der man leben möchte, auch wenn man nicht die erforderlichen Räumlichkeiten dazu besitzt – es scheint das Produkt Möbel ist schon zweitrangig – eine Inszenierung die seinesgleichen sucht. Ware Innovationen findet man nur im Detail, man muss schon genau hinschauen und vor allen wissen wo man schauen soll damit die sichtbar werden. Es ist mir schon klar das bei solchen Massen an Besuchern, die dieses Jahr auftraten, nicht alle in den Ständen rein können (oder sollen), es ist aber schon bezeichnend, wenn ich nur einen Eingang habe, also einen Flaschenhals schaffe, und somit den Marken-Bindungs-Gedanken verstärke. Wo bleibt hier aber der Bedarf nach „frischem Blut“ das jede Marke langfristig benötigt. Anders waren es meiner Meinungen nach, bei ebenso wichtigen Aussteller Visasvis, hier war weitgehend ein offenes Standkonzept vorherrschend, hier waren auch „noch nicht Kunden“ willkommen. Produkte mit Ideen und designorientierte Möbel sind dem Standkonzept gleichwertig oder sogar wichtiger. Komfort und Qualität der Produkte sind genauso wichtig, wenn man genau hinschaut. Das augenfällige Niveau hat sich hier in der Mitte eingependelt. Ich beneide keinen Besucher oder Einkäufer der aus diesem unüberschaubarem und weitgehend ähnlichen Angebot das „richtig“ rauszuholen versucht. Die Besucher sind aber nicht nur Einkäufer, sondern auch Konkurrenten – es ist für die Aussteller eine Gradwanderung, da viele nur Anregungen holen wollen (oder brauchen) und Ideenklau nach wie vor gang und gebe ist. Smart Home, die Digitalisierung der Einrichtung ist außerhalb der Küche noch nicht angekommen, sieht man von einzelnen Versuchen ab, das Ankleidezimmer oder den Schlafzimmerschrank zu klimatisieren. Ganz anders präsentiert sich die Szene in der Stadt, alleine im Zuge der Design Week präsentieren sich eine Menge an kreativen, alle freistehenden Räume werden genutzt oder es werden kurzerhand Werkstätten ausgeräumt und Innenhöfe zu Ausstellungen umfunktioniert. Hier sieht man, der Mensch ist nicht nur blöd, exzentrisch, umweltvernichtend, gierig sondern auch erstaunlich kreativ. Da zeigt sich das enorme Potential der Menschheit. Als Lichtblicke seien hier erwähnt z.B. eine gemeinsame Ausstellung sehr kreativer Südtiroler Designer und Handwerker in einem versteckteren Innenhof mit außergewöhnlichen Design und naturbezogenem Produkten. Die Einbeziehung der Natur und nicht auf Kosten der Natur steht im Vordergrund. Das Gesamtkonzept Designer – Design – Material – Philosophie macht es aus. Es bleibt nur zu hoffen das die auch den Weg ins Business schaffen, und nicht durch Ideenklau verschwinden. Und trotzdem ist Mailand keine Stadt auf einem anderen Stern, inzwischen eine Stadt wie viele andere auf der Welt. So ein Event wie hier kann auch in vielen anderen Städten stattfinden, wenn man die eingangs beschriebenen Zutaten richtig mischt und gemeinsam mit allen Ressourcen daran arbeitet.

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